Online Seminar: Neues Denken – verändertes Leben

Öfter schon hatte ich an einem Seminar des ZfE teilnehmen wollen, aber es hatte terminlich nie mit meinen Heimataufenthalten als Missionarin gepasst. So war das Online-Seminar jetzt meine Chance, und auch der „sozio-mentale Tapetenwechsel“ tat mir nach sieben Monaten pandemiebedingter häuslicher Quarantäne in den peruanischen Anden sehr gut. Es war schön, andere bekannte Teilnehmer zu treffen, und ich wollte außerdem gerne ein persönliches Thema genauer unter die Lupe nehmen.

Der ausgefüllte Testbogen zum Thema „Innere Antreiber“ präsentierte mir, für mich überraschend, den Satz „Mach es allen recht!“ als meinen „Spitzenreiter“. Das war mir fast peinlich und fiel mir erst einmal schwer zu akzeptieren. Ich war (und bin) der Meinung, dass ich mich (mit eigener pädagogisch-therapeutischer Ausbildung) in beruflicher Leitungsrolle und in meinen persönlichen Beziehungen gut abgrenzen kann, mich von vielen geschätzt weiß und eher unabhängig vom Beifall oder Ablehnung anderer bin. Das passte doch nicht zu diesem Testergebnis, oder?

Bei der späteren Beschreibung zu dem Hintergrund dieses „Antreibers“ als „verstecktem Wunsch nach Zugehörigkeit und Angenommensein, sowie starker Angst vor Ablehnung oder Zurückweisung“ dämmerte mir der Zusammenhang mit genau dem Thema, das ich mit ins Seminar gebracht hatte: meine soziale Kompetenz und mein Abgrenzungsvermögen im Alltag schließen tief verwurzelte Ängste vor Beziehungsverlust, gerade gegenüber mir wichtigen Menschen, nicht automatisch aus.

Im konkreten Fall ging (und geht) es um die enge Zusammenarbeit mit unserem einheimischen Pastor, der – im Gegensatz zu mir – introvertiert und kein Mann der vielen Worte ist. Immer wieder hatte mich sein längeres Schweigen auf dienstliche Anfragen, Bitten oder Vorschläge meinerseits irritiert, verunsichert, geärgert und negative Spekulationen geweckt. Meine Befürchtungen zielten bezeichnenderweise meist auf mein eigenes Verhalten und zugleich unsere Beziehung ab: „Hatte ich mich zu weit vorgewagt? Druck ausgeübt oder etwas Falsches gesagt?“ Und im zweiten Gedankengang dann die Verunsicherung bzgl. unserer Beziehung: „War er genervt oder verärgert? War da eine „Tür“ in unserer eigentlich guten Beziehung zugegangen, oder hatte sie womöglich dauerhaften Schaden genommen?“ Diese Gedanken kannte ich auch aus Situationen mit anderen, mir wichtigen Menschen und machten mir Not, wobei sie sich fast nie bewahrheiteten. Vielmehr hatte solch ein Schweigen seinen Grund meist einfach in der Überarbeitung oder Vergesslichkeit des anderen.

Angesichts der in acht Dienstjahren gewachsenen Freundschaft zwischen dem Pastorenehepaar und mir fand ich selbst meine Befürchtungen ziemlich irrational und übertrieben – und dennoch bedrängten sie mich. Es stimmt, was auch im Seminar wieder Thema war: „Nicht das Ereignis selbst (Schweigen), sondern meine diesbzgl. Interpretation (Beziehungsbedrohung) bestimmt meine Empfindungen (Ängste).“

„Unsicherheit löst im Gehirn ähnliche Reaktionen aus wie Schmerz“, habe ich mir während des Seminars notiert. Kein Wunder, dass es mir nicht gut damit ging! Und auch: „Hinter den Antreibern steckt eine kindliche Logik – aber: wir sind nicht mehr das kleine Kind von früher!“ und dazu der Bibelvers: „Du hast den Stecken des Treibers zerbrochen.“ (Jes. 9:3) Das war mir an sich nicht neu, aber – in der Anwendung, nicht im Wissen, liegt der Schlüssel. Mir wurde neu bewusst, dass da noch alte negative Erfahrungen mit elterlichem Schweigen aus meiner frühen Biografie am Werk waren; „unsicher-ambivalente Bindung im Elternhaus“ hieß das in unserem Skript. Für konkrete Schritte zur Veränderung meines Denkens (Gedankenstopp, bewusstes Zuwenden/Überdenken der toxischen Gedanken, Stabilisierung neuer Gedankenmuster) habe ich seitdem ein gutes Übungsfeld, denn unser Pastor ist immer noch schweigsam. ☺

Es war gut, dass ich mir die Zeit genommen habe, mich einmal intensiver mit dieser Thematik zu beschäftigen. Manchmal machen mir die besagten Situationen immer noch zu schaffen, aber inzwischen grinse ich bisweilen auch und setze den sich meldenden Befürchtungen schneller ein entschiedenes „Stopp!!“ entgegen. Statt mich in Spekulationen zu verlieren, erinnere ich mich an die Qualität unserer Freundschaft oder nehme es als Geduldsübung und freue mich, wenn nach einigen Tagen eine spontane (und oft sogar wertschätzende!) Antwort kommt. Oder ich rufe den Pastor kurz an und frage offen nach.

Den Satz „Die Welt geht nicht unter (und die Beziehung nicht in die Brüche!), wenn ein mir wichtiger Mensch sich wirklich einmal über mich ärgert oder mit mir unzufrieden ist“ nutze ich inzwischen zur aktiven Korrektur meiner spekulativen Befürchtungen.

Mein Gebet, dass unser Pastor in der Zusammenarbeit doch bitte etwas kommunikativer werden möge, ist nur bedingt in Erfüllung gegangen. Dafür gebraucht Gott ihn, um meine Ängste und ungesunden Denkmuster zu verändern, und dafür bin ich ihm dankbar. Und: ich freue mich auf das nächste Seminar.

Birgit